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Arnstädter Persönlichkeiten

 

Johann Sebastian Bach

Nachdem ein Großbrand 1581 den größten Teil Arnstadts innerhalb des Mauerrings, einschließlich des Rathauses und der damaligen Bonifatiuskirche, vernichtete, begann man 1676 mit dem Wiederaufbau der Kirche. 1683 war der neue Bau fertig und wurde von nun an „Neue Kirche“ genannt. 1699 war mit dem Mühlhäuser Orgelbauer Johann Friedrich Wender der Vertrag über den Neubau einer Orgel für die Neue Kirche abgeschlossen worden. Die Inbetriebnahme war für Juni 1701 vorgesehen, doch der Bau verzögerte sich. Johann Sebastian Bach war zweifellos über den Fortgang der Arbeiten an der Orgel durch die in Arnstadt ansässigen Verwandten informiert. Man kann davon ausgehen, dass er schon zeitig sein ernsthaftes Interesse an der neu zu besetzenden Organistenstelle angemeldet hatte. Aufgrund seiner bereits guten Fachkenntnisse im Orgelbau wurde der 18-jährige Johann Sebastian, der zu der Zeit Violinist in Weimar war, von Martin Feldhaus, er war verantwortlich für den Orgelbau und verwandt mit ihm, zur Abnahme der Orgel eingeladen. Seine geniale Veranlagung als Musiker wurde nach dem Prüfungsspiel am 13. Juli 1703 anerkannt, indem keine weiteren Bewerber zur Probe geladen wurden. Er erhielt die Zusage für die Stelle.

Laut Vertrag bestand Bachs Dienst im Orgelspiel zum sonntäglichen Gottesdienst, zur Betstunde am Montag und zur Frühpredigt am Donnerstag. Als Besoldung erhielt er 84 Gulden und 6 Groschen aus dem Gotteskasten, der Brauzinskasse und dem Hospital St. Georg für Auslagen an Kost und Wohnung. Ungewöhnlich für Arnstädter Verhältnisse war, dass er keine Naturalzuschüsse, die sonst einen festen Posten in der Besoldungszusammenstellung ausmachten, erhielt. Solange die Neue Kirche über keine Orgel verfügte, wurde zur Unterstützung des Gemeindegesanges der Schülerchor einbezogen. Man erwartete nun auch von Johann Sebastian Bach die Übernahme der Kantorenpflichten. Bach weigerte sich hartnäckig, er war laut Vertrag nicht dazu verpflichtet. Bei der Bestellung der Kirche mit Chorwerken zeigte der junge Organist wenig Interesse und Engagement. Im August 1705 wurde Johann Sebastian Bach mehrfach vor das Konsistorium geladen, weil sich die Klagen über Disziplinlosigkeit der Chorschüler häuften. Außerdem war es zu Handgreiflichkeiten, provoziert durch den Schüler Geyersbach gekommen.

Ende Oktober 1705 ersuchte Johann Sebastian Bach das Konsistorium um einen vierwöchigen Urlaub. Ihn drängte sein Entschluss, den berühmten Orgelmeister an der Lübecker Marienkirche, Diedrich Buxtehude, aufzusuchen. Dieser war bekannt für die Aufführungen der „Abendmusiken“, die alljährlich an fünf Sonntagen vor Weihnachten stattfanden. Erst nach vier Monaten kehrte der junge Bach nach Arnstadt zurück und hatte sich bald wegen der eigenmächtigen Urlaubsüberschreitung vor dem Konsistorium zu verantworten. Da er jedoch einen fähigen Vertreter, Johann Ernst Bach, für seine Abwesenheit bestellt hatte, übte das Konsistorium Nachsicht, nahm aber die Gelegenheit zum Anlass ihm vorzuhalten: „daß er bisher in den Choral viele wunderliche variationes gemachet, viele frembde Thone eingemischet, daß die Gemeinde darüber confundiret worden“ auch habe er erst „gar zu lang gespiehlet, nachdem ihm aber vom Herrn Superint deswegen anzeige beschehen, währe er gleich auf das andere extremum gefallen, vnd hätte es zu kurz gemacht“.

1707 war in der freien Reichsstadt Mühlhausen die Organistenstelle an der Kirche St. Blasius frei geworden. Der Mühlhäuser Ratsherr Johann Hermann Bellstedt leitete die Neubesetzung der Stelle. Maria Barbara Bach war mütterlicherseits mit ihm verwandt, so daß man annehmen kann, daß Johann Sebastian Bach durch familiäre Kontakte das neue Amt gesichert wurde. Nach einem meisterhaften Probespiel zu Ostern bot man ihm den Dienst an. Am 29. Juni 1707 berichtete Johann Sebastian Bach dem Arnstädter Rat von seiner Berufung nach Mühlhausen, bedankte sich für seine Bestallung in Arnstadt und bat um seine Entlassung.

Die St. Bartholomäi-Kirche in Dornheim wählte Johann Sebastian Bach für seine bescheidene Trauzeremonie mit Maria Barbara Bach, Tochter des Gehrener Organisten Johann Michael Bach. Der befreundete Dornheimer Pfarrer Lorenz Stauber traute das Paar am 17. Oktober 1707.

Um das Organistenamt an der Neuen Kirche bewarben sich nach Johann Sebastian Bachs Weggang Johann Ernst Bach und Andreas Börner. Nach einem Probespiel der beiden Anwärter entschied sich der Hofkapellmeister Paul Gleitsmann für Johann Sebastian Bachs Vetter. Johann Ernst Bach war 21 Jahre an der Neuen Kirche als Organist tätig. Als Besoldung erhielt er nicht einmal die Hälfte des Gehaltes seines Vorgängers. Das Leben von Bach in Arnstadt können Sie in der Bachausstellung im Schlossmuseum erleben.

 

Eugenie John Marlitt

Friederike Henriette Christiane Eugenie wurde am 5. Dezember 1825 als zweite Tochter des Kaufmanns Ernst John in Arnstadt geboren. Kantor Stade förderte die musikalische Begabung, die Eugenie von ihrer Mutter geerbt hatte.

Fürstin Mathilde von Schwarzburg - Sondershausen galt als Förderin von Kunst und Wissenschaft und ließ das Mädchen von 1841-1844 auf Bitten des Vaters in allgemeinen Schulfächern, Klavier und Gesang, sowie Fremdsprachen in der Residenzstadt Sondershausen ausbilden. Von 1844-1846 ermöglichte ihr die Fürstin am Konservatorium in Wien eine Ausbildung als Opernsängerin. 1847 spielte Eugenie John die Rolle der Gabriele in Kreutzers Oper „Das Nachtlager von Granada“.

Jedoch kam ihr Talent nicht zur Geltung, Angst und Aufregung ließen ihren Auftritt zu einer peinlichen, bitteren Erfahrung werden. Sie kehrte auf die kleine Bühne nach Sondershausen zurück. Gastspiele in Linz, Graz, Krakau, Lemburg und Ölmütz folgten. Eine zunächst leichte Schwerhörigkeit führte 1853 zur Beendigung der Laufbahn als Opernsängerin. Fürstin Mathilde bot ihr nun an, nach Oehringen (Süddeutschland) zu kommen, wo sie nach der Trennung von ihrem Mann seit 1852 lebte. Als Gesellschafterin und Vorleserin der Fürstin lernte Eugenie John viele interessante Menschen kennen und sammelte wertvolle Erfahrungen. Ihr schriftstellerisches Talent zeigte seine ersten Früchte. „Mein Herbarium“ nannte sie ihre Niederschrift lyrischer Gedichte, ihre erste Novelle hieß „Schulmeisters Marie“. Eine weitere Erkrankung, Verdickungen an Fingern und Gelenken, stellte sich bei einer Untersuchung in München als unheilbar heraus. Hier lernte Eugenie John den Dichter Friedrich Bodenstedt kennen, welcher sie zu weiterem literarischem Schaffen ermunterte. 1863 trennte sich Eugenie von der Fürstin und kehrte nach Arnstadt zurück. Ihr Bruder Alfred nahm sie liebevoll auf.

Eugenie arbeitete an ihrer zweiten Novelle „Die zwölf Apostel“. Dem Drängen ihres Bruders Alfred nachgebend, schickte sie unter dem Pseudonym „Marlitt“ die Manuskripte von „Schulmeisters Marie“ und „Die zwölf Apostel“ an den Verleger der Zeitschrift „Die Gartenlaube“, Ernst Keil, nach Leipzig. Mit der Veröffentlichung der Erzählung „Die zwölf Apostel“ 1865 begann ihre Laufbahn als Schriftstellerin. Sie wurde zur gefragtesten Autorin der 1853 gegründeten Familienzeitschrift, in der ihre Romane und Erzählungen in Fortsetzungen erschienen. Erst nach dem Abdruck in der „Gartenlaube“ wurden ihre Werke auch in Buchform herausgegeben und bald in fast alle europäischen Sprachen übersetzt. Mit dem Erlös der Buchausgabe „Reichsgräfin Gisela“ konnte sich Marlitt einen Lebenstraum erfüllen. 1871 zog sie in ihr eigenes Heim - die Villa Marlitt. Marlitts Rheumaleiden zwang sie zu dieser Zeit bereits an den Rollstuhl, den sie nicht mehr verlassen konnte. Sie erholte sich nicht von ihrem Krankenlager und starb am 22. Juni 1887 in ihrer Villa.

 

Ludwig Bechstein

Ludwig Bechstein wurde am 24. November 1801 in Weimar geboren. Seine Mutter, Johanna Caroline Dorothea Bechstein, war unverheiratet. Sein Vater war wohl der französische Emigrant Louis Hubert Dupontreau aus Fontenay-le-Comte in der Vendée. In den thüringischen Staaten galt damals noch das ältere deutsche Recht, dass ein uneheliches Kind den Namen des von der Mutter angegebenen Vaters zu tragen hatte. Deswegen erhielt er auch zunächst den Namen des Vaters. „Ich war ein armes Kind, das keinen Vater hatte, und das die Mutter in zartester Jugend in Miethlingshände gab..., “ schrieb L. Bechstein in seiner nicht vollendeten autobiografischen Skizze SUMMA SUMMARUM.

Der große Wendepunkt im Leben des jungen Ludwig trat mit dem viel zu frühen Tode eines Verwandten ein. Der Sohn des anerkannten Natur- und Forstwirtschaftlers Johann Matthäus Bechstein war das einzige Kind der Eheleute gewesen. Ein Freund der Familie legte den Eltern nahe, ein Kind zu adoptieren, um den Schmerz über den Verlust des geliebten Sohnes abzuschwächen. Im Oktober 1810 nahmen Johann Matthäus Bechstein und seine Frau den Jungen mit nach Dreißigacker. Ludwig Bechstein kam noch als Louis Dupontreau in das Haus seines Onkels. Ende 1810 hieß er Louis Bechstein und ab 1811 Ludwig Bechstein. Möglicherweise dürfte in dieser Zeit eine Adoption erfolgt sein, da er erst jetzt den Namen Bechstein erhielt. 1810 meldete ihn sein Pflegevater im Lyzeum in Meiningen an. Die Lehrer beklagten sich wiederholt über den mangelnden Fleiß ihres Schülers; der Onkel bestrafte ihn mit Hausarrest. In der Gesindestube aber konnte Ludwig seine Leselust mit Volksbüchern, Abenteuer- und Gespenstergeschichten ungehindert stillen. Im Herbst 1818 wanderte Ludwig Bechstein in das thüringische Städtchen Arnstadt, um in der Kühnschen Apotheke unter der Galerie seine Lehrzeit zu beginnen. Doch schon bald stellte Bechstein fest, dass dieser Beruf seinen Vorstellungen nicht entsprach. Zu seinen Pflichten gehörte es, die Apotheke auszukehren, den Laden zu öffnen und zu schließen, Kessel und Mensuren zu scheuern und zu putzen. Gerade aber das Experimentieren, das hauptsächlich für die Berufswahl bestimmend gewesen war, blieb ihm versagt. Nach mehrmaligem Nachfragen, warum er dies nicht tun dürfe, wurde ihm eröffnet, dass das nur dem Prinzipal vorbehalten sei. Seine Lehrzeit endete 1822, nach vier Jahren, er blieb aber noch für zwei weitere Jahre in Arnstadt als Gehilfe (Provisor). Im Jahr 1823 erschien von Bechstein ein kleines Bändchen „Thüringische Volksmärchen“, allerdings unter dem Pseudonym C. Bechstein. Es war seine erste selbstständig erscheinende Schrift.

Von Ende 1824 bis Anfang 1826 war Bechstein in der Meininger Hofapotheke tätig. Im Jahre 1826 zog er nach Salzungen, um dort in der Schwan-Apotheke als Provisor zu arbeiten. Aber auch hier fand er nicht die Erfüllung im Beruf, die er sich wünschte. Er stellte die Beschäftigung in der Apotheke hinter die dichterisch-schriftstellerische Betätigung und die Pflege froher Geselligkeit. Im März 1829 konnte er sich durch die Förderung des Meininger Herzogs als Nr. 134 an der Universität Leipzig immatrikulieren; nicht nur um Naturwissenschaften zu studieren, sondern Philosophie, Literatur und Geschichte. Als literarische Hauptleistung Bechsteins in Leipzig ist der „Totentanz“ zu sehen. Bis Ende des Sommersemesters 1830 blieb er in Leipzig und führte im Anschluss seine Studien in München weiter. Hier besuchte er mehr die Kunst- und Altertumssammlungen, und sein Studium galt weniger den akademischen Vorlesungen als dem eigenen Betrachten und Studieren. Sowohl in Leipzig als auch in München arbeitete Bechstein sehr viel. Er schrieb „Die Weisheit der Libussa“, den Roman „Das tolle Jahr von Erfurt“ und „Luther“. Im August 1831 kehrte Bechstein nach Meiningen zurück und erhielt im November des gleichen Jahres ein Stelle als Kabinettsbibliothekar an der herzoglichen Bibliothek. Im August 1832 heiratete er die 24-jährige Caroline Wiskemann aus Philippsthal an der Werra, die ihm seinen ersten Sohn schenkte. Bereits nach zwei glücklichen Ehejahren starb seine Frau und er heiratete im Mai 1836 erneut. Aus der Ehe mit Therese Schulz aus Untermaßfeld gingen sieben Kinder hervor. 1840 empfing Bechstein aufgrund seiner literarischen Leistungen das Dekret zum Hofrat. Bechstein war ein äußerst fleißiger Arbeiter. Sein Nachlass erfasste rund 20.000 Manuskriptseiten, er arbeitete mit ca. 60 Verlegern zusammen und bemühte sich um die Wiederentdeckung der Dichtung des deutschen Mittelalters. Er verfasste Reiseberichte über seine Reisen in Deutschland und Europa, Abhandlungen zu Kunstdenkmälern in Franken und Thüringen, Rezensionen über Bildnisse und Lebensbeschreibungen berühmter deutscher Männer; er dichtete eine „Neue Naturgeschichte der Stubenvögel“, versuchte sich an Opernlibretti wie an Abhandlungen über Archäologie, Astrologie, Freimaurerei und Burschenschaftswesen. Am 14. Mai 1860 starb der Dichter Ludwig Bechstein im Alter von 59 Jahren.

 

LUDWIG BECHSTEIN in Arnstadt

Bechstein hat sich mit seinem Gesamtwerk in die Kulturgeschichte in erster Linie als Sammler und Erzähler von Sagen (über 2000 Sagen trug er zusammen) und Märchen (rund 150 Märchen), als Reiseschriftsteller und Forscher eingetragen und - obwohl er (von späteren vereinzelten Besuchen abgesehen) nur sechs Jahre (1818-1824) in Arnstadt weilte - zur literarischen Anerkennung der Stadt nicht unwesentlich beigetragen. Die Arnstädter Zeit ist für Bechstein eine Zeit des Erkundens, des Suchens und Sich-Versuchens auf verschiedenen literarischen Gebieten. In einem Gedicht spricht er später davon, dass hier „die Rose des Dichtens“ aufgebrochen sei. Dieser Prozess des literarischen Suchens und Sich-Versuchens ist das Entscheidende an Bechsteins Aufenthalt in Arnstadt, nicht die wiederholt als besonders wesentlich herausgestellte Tatsache, dass er in der Kühnschen Apotheke gelernt und gearbeitet hat. Bereits im ersten Lehrjahr beginnt seine innere Abwendung von dem gewählten Beruf, die er - zumindest teilweise - durch eine immer stärkere Zuwendung zur Sammlertätigkeit und zu ersten dichterischen Studien und Versuchen auszugleichen sucht. Dies bestätigen nicht zuletzt seine frühen Gedichte, seine „Thüringischen Volksmärchen“ und seine Sagensammlung um die Liebfrauenkirche und Arnstadts Umgebung in eine lyrische Form zu kleiden, z.B. die Sage vom Jungfernsprung und 1822 die „Volkssage über die Erbauung der Liebfrauenkirche in Arnstadt“. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ist auch die Posse „Jettchen oder Amor im Bierkeller“ - in deren Personen sich verschiedene Arnstädter wiedererkannten - nach 1820 in Arnstadt entstanden.

Wohl kein Dichter oder Schriftsteller hat sich der „heiteren Stadt am schönen Gerastrande, ... der Anmutigen, Lindengeschmückten... dem trauten Arnstadt“ über Jahrzehnte so verbunden gefühlt wie Ludwig Bechstein; keiner hat Arnstadts „schönster Zier“, der Liebfrauenkirche, in Sage, im Gedicht wie in einer Novelle („Meister Wolfram und seine Türme“) ein so bleibendes Denkmal gesetzt wie er. Die Liebfrauenkirche ist übrigens das einzige Gotteshaus Arnstadts, das er in seinem Reisebericht „Thüringen“ erwähnt und würdigt. Seine Beiträge zur Reiseliteratur wie z.B. die „Wanderungen durch Thüringen“, „Unterwegs im Reisewagen“ und „Thüringen in der Gegenwart“, die heute noch aufschlussreich, interessant und lesenswert sind, erlebten bis in unsere Zeit Neuauflagen. Diese Reiseliteratur lässt die Neugier des Forschers Bechstein, seine Freude an Wanderungen und seine umfassende Bildung, besonders auf historisch-kulturellem wie volkskundlichem Gebiet, wie sein Vertrautsein mit dem geliebten Thüringen besonders deutlich erkennen.
Leider ist man bei der Suche nach Informationen über Bechsteins Arnstädter Zeit ausschließlich auf literarische Zeugnisse aus Bechsteins eigener Feder angewiesen, u.a. die unvollendeten autobiographischen Aufzeichnungen „Summa summarum“ oder Erzählungen mit reichem autobiographischen Wert wie „Der Lehrling zum König Salomo“ und „Der Gehülfe zum König Salomo“. Bechsteins Position in der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte ist jedoch nicht ohne einen Blick auf seine Arnstädter Jahre und deren Aufwertung bestimmbar.
Quelle: R. Stangenberger

 

Willibald Alexis

Von Beruf Jurist - doch eher als Dichter, Schriftsteller, als Begründer des realistischen historischen Romans in der Deutschen Literatur bekannt, gehört Willibald Alexis zu den Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, die sich mit ihren Werken vor allem um den Vormärz und Nachmärz einen Namen gemacht haben. Seine vaterländischen Romane wie z. B. „Die Hosen des Herrn von Bredow“, „Der Werwolf“ oder „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ gehören wohl zu seinen bedeutendsten Werken.
Am 29. Juni 1798 wurde Willibald Alexis, mit bürgerlichem Namen Georg Wilhelm Heinrich Häring, in Breslau geboren. 1806 übersiedelte die Familie nach Berlin, wo Wilhelm das Friedrich -Werdersche - Gymnasium besuchte. 1815 reihte sich der Schüler als Freiwilliger in das Regiment Kolberg ein und nahm am Krieg in den Ardennen teil. Seit 1817 studierte er Jura in Berlin und Breslau. Nach dem Ablegen der ersten juristischen Prüfung 1820 arbeitete er als Referendar beim Kriminalsenat des Kammergerichts in Berlin. Doch ab 1827 widmte er sich nur noch der journalistischen und schriftstellerischen Tätigkeit, wurde Mitarbeiter der Vossischen Zeitung, von 1830 bis 1835 wirkte er als Redakteur der Zeitung „Der Freimütige oder Berliner Conversationsblatt“. In den 1820er und 30er Jahren erschienen seine ersten Werke „Walladmor“, „Die Geächteten“, „Schloss Avalon“, „Cabanis“, „Das Haus Düsterweg“, die er unter dem Pseudonym Willibald Alexis veröffentlichte. Die Kommilitonen gaben ihm diesen Namen, da die Übersetzung von Häring ins Lateinische alex bedeutet.

Im Vormärz dem preußischen Liberalismus zugerechnet, erwarb er wegen seines beharrlichen Festhaltens an den Ideen der Revolution im Nachmärz den Ruf eines „roten Republikaners“. Das, und seine persönliche Enttäuschung vom Ausgang der Revolution von 1848/49, waren die Hauptgründe, weswegen er das reaktionäre Berlin verließ. Bis dahin waren noch seine Romane „Der Roland von Berlin“, „Der falsche Waldemar“, „Die Hosen des Herrn von Bredow“ und „Der Werwolf“ entstanden. Überarbeitet und krank suchte er Erholung. So kam der Dichter im Juli 1851 mit seiner Frau Lätitia, die er 1838 geheiratet hatte, ins Solbad Arnstadt. „Es war mehr Zufall als Absicht, was mich gerade nach Arnstadt führte. ´Ein anmuthiger, ländlicher Ort´, hatte man mir gesagt, ...“ schrieb er im Oktober 1851 in seiner Werbeschrift „Arnstadt. Ein Bild aus Thüringen.“
Am 9. August 1852 stellte Alexis ein Gesuch um Überlassung eines Kommunalbauplatzes zum Bau eines Wohnhauses an die Stadt Arnstadt. Das im Sommer 1854 fertiggestellte Haus im Schweizer Stil war als Sommerwohnsitz gedacht und wurde so auch bis 1858 genutzt. Die Aufenthaltsdauer in Arnstadt richtete sich nach dem Gesundheitszustand der Härings.
Doch der infolge seines ersten Schlaganfalls 1856 immer kranke Alexis war bald gezwungen, seinen Berliner Wohnsitz aufzugeben. Neben den besseren klimatischen Bedingungen in Thüringen waren auch die hohen Kosten einer doppelten Haushaltsführung dafür der Grund.

Große Werke zu schreiben war er nicht mehr im Stande. 1852 und 1854 erschienen noch „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ und „Isegrimm“; 1856 folgte „Dorothee“ und 1860 die kleine Novelle „Ja in Neapel“.
Am 12. April 1860 erlitt Alexis einen zweiten Schlaganfall. Auf der rechten Seite gelähmt, war er an den Rollstuhl gefesselt. „Wer damals, um die Sommerzeit, nach Arnstadt kam und an stillen Nachmittagen unter den Bäumen des Parks spazieren ging, der begegnete einem Wägelchen, drin ein Kranker langsam auf und ab gefahren wurde: ein alter Herr, das Haupt entblößt und auf die Seite geneigt, das Gesicht interessant, trotz aller Zeichen des Verfalls. Dieser Kranke war Willibald Alexis. Manches Auge ist teilnahmvoll diesem stillen Gefährt gefolgt.“ So die Worte Theodor Fontanes in seinem Essay über Willibald Alexis. Am 16. Dezember 1871 starb Alexis in Arnstadt und wurde auf dem Alten Friedhof beigesetzt. Als Zeichen des Dankes und der Ehrung errichteten seine märkischen Freunde 1911 einen Granitfindling als Grabstein.

Stadt Arnstadt 2024